Das war er also, der Moment. Der Moment, der das abrupte Ende einer zutiefst innigen und seit etwas über siebzehn Monate lang andauernden Stillbeziehung markieren sollte. Der Moment, dessen Entscheidung keinesfalls, wenn auch selbstverständlich, der stillenden Mutter, noch ihres Kindes obliegen sollte. Der Moment, dem jegliche Sensibilität fehlte und der die Wahl wahrlich zur Qual werden lassen sollte.
Von vorne
Ich stille noch. Begleitend. Und das, obwohl Ben Ende diesen Monats bereits eineinhalb Jahre alt wird, ja! Dass dieser Umstand für viele Menschen, vor allem aber für diejenigen, die mit dieser sehr sensiblen Thematik keinerlei Berührungspunkte haben, befremdlich wirkt, ist mir wohl bewusst. Obwohl es das Natürlichste der Welt ist!
Noch vor einem Jahr hätte auch ich nicht glauben wollen, dass ich mein Kind in diesem Alter zu einem geringen bis, an Krankheitstagen, großen Teil weiterhin mit Muttermilch ernähren würde. Doch wie es uns das Leben nahezu täglich lehrt, kommt es erstens anders und zweitens als man denkt. So auch in Bezug auf Bens Verlangen nach Mamas Brust. Wider der unzählig guten mit Nachdruck kommunizierten Ratschläge und teils auch dem kundgetanen Entsetzen, wollte ich mich jedoch nicht beirren und von der Empfehlung meiner Hebamme, wie auch der der WHO
“Das Stillen nach Bedarf sollte mindestens bis zum Alter von zwei Jahren fortgesetzt werden, da Muttermilch weiterhin eine wichtige Quelle für viele Nährstoffe ist. Muttermilch ist während Erkrankungen des Kindes besonders wichtig, wenn das Kind das Essen verweigert, nicht aber die Brust. Stillen schützt in diesen Phasen vor einer Austrocknung und bietet die notwendigen Nährstoffe für die Genesung. Weiterhin wurde eine längere Stilldauer mit einem geringeren Risiko chronischer Erkrankungen und Übergewicht im Kindesalter und mit verbesserten kognitiven Leistungen in Verbindung gebracht.”
bestärken lassen. Bis zu diesem einen Tag. Dem letzten Mittwoch.
Die Qual der Wahl
Da saß ich also. Abends kurz nach achtzehn Uhr, mit einem Notfall-Termin. Bei dem einzigen Hausarzt im Ort, der mittwochs geöffnet hat. Die Schmerzen waren seit Sonntagabend stetig angestiegen und der Arzt bestätigte, was ich seit dem Mittag befürchtete: eine akute Tonsillitis. Na besten Dank auch. Ich war bedient! Schließlich war es nicht das erste Mal, dass die KiTa-Viren ihren Weg über Ben zu mir gefunden und mich außer Gefecht gesetzt hatten. In diesem Fall würde ich jedoch nicht ohne die Hilfe der Schulmedizin auskommen können, so zumindest meine Vermutung. Ich muss gestehen, dass ich mich beinahe auf das erlösende Antibiotikum freute, kamen die Halsschmerzen die mich quälten, doch vermutlich denen einer Männergrippe nahe. (Hah. Sorry, das musste sein!)
Dass ich als stillende Mutter mit einem gar strafenden Blick allein auf weiter Flur stehen gelassen werden sollte, hatte ich in diesem Moment allerdings nicht zu mutmaßen gewagt. Im Grunde genommen, so meinte man, dürfte es ja ein Leichtes sein, mein Kind mit knapp achtzehn Monaten unvermittelt abzustillen, um es durch die Behandlung mit Penicillin nicht der Gefahr, in einem Alter von zehn bis zwölf Jahren unter möglicherweise auftretenden gelblichen Zahnverfärbungen zu leiden, auszusetzen.
Ich war entsetzt und bin es noch immer. Vor allem aber war ich wütend. Und traurig. Als Alternative bot man mir Ibuprofen und Geduld an. Bitte? Es klang tatsächlich so, als ob der wohl einzig mögliche Weg, diese Erkrankung auszukurieren, die Strafe dafür sein sollte, dass ich als Mutter meiner Pflicht, den Bedürfnissen meines Kindes zu einhundert Prozent gerecht zu werden, gewissenhaft nachging.
Der Schock saß tief. Und ich anschließend weinend im Auto. Ich wusste, dass ich Ben nicht mit der geringsten Gefahr konfrontieren wollte. Ich wusste aber auch, dass ich nicht bereit war, die Qualen, vor allem aber auch die Gefahr, die Entzündung zu verschleppen und somit meine Gesundheit aufs Spiel zu setzen, in Kauf zu nehmen.
Ich war entsetzt. Ich war wütend. Und ich war traurig.
In meiner Verzweiflung suchte ich Rat bei meiner Hebamme. Eine Frau, die neben ihrer hohen fachlichen Kompetenz mit sehr viel Herz punktet. Immer, auch mitten in der Nacht!
Auch wenn ihre homöopathischen Empfehlungen halfen, das Fieber und den Schmerz während der Nacht einigermaßen in Schach zu halten, folgte die mit Sehnsucht erwartete Erlösung erst am kommenden Vormittag. Auf Anraten meiner Hebamme hatte ich spontan einen Termin bei der Frauenärztin bekommen, für die meine Hebamme stundenweise tätig und von der sie vollkommen überzeugt ist. Schließlich musste das überaus breite Spektrum der Schulmedizin ein adäquates Heilmittel für stillende Mütter bereithalten, so auch ihre Meinung. Und das tat es glücklicherweise auch. Gott seid Dank!
So emotional schmerzhaft diese Erfahrung auch gewesen sein mag, so gestärkt gehe ich daraus hervor und weiß nun einmal mehr, wie wichtig es ist, Eigenverantwortung zu übernehmen und sich klar zu positionieren! Und ich positioniere mich für das Stillen. Auch nach der Beikost-Einführung. Allem voran aber positioniere ich mich für das selbstbestimmte Abstillen! Welches in unserem Fall irgendwann in der Zukunft, behutsam, seinen Zeitpunkt finden wird.